Am 16.10.2015 diskutiert der Bundesrat [1] die aktuelle Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) [2].
PIRATEN fordern unbegrenzte Arbeitsmöglichkeiten für Akademiker. Daueraufgaben sind mit Dauerstellen zu besetzen. Befristete Beschäftigungsverhältnisse sind ausschließlich für eine Weiterqualifikation zulässig. Eine Weiterqualifikation bedarf einer weiteren Befristung. Dabei darf es keine grundsätzliche zeitliche Obergrenze geben [3].

Das WissZeitVG regelt die Befristung von wissenschaftlichem und künstlerischem Personal in der Qualifizierungsphase sowie in drittmittelfinanzierten Projekten. In der Vergangenheit wurde zu Recht kritisiert, dass die gültige Form des WissZeitVG zu einer Prekarisierung der wissenschaftlich und künstlerisch arbeitenden Menschen an Hochschulen und Universitäten beigetragen hat. Durch die dort eröffnete Möglichkeit, für maximal 12 Jahre lang befristete Verträge zu vergeben, wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit kurzen Vertragslaufzeiten unter Druck gesetzt. Viele befinden sich nach 12 Jahren in einer beruflichen Sackgasse, da eine befristete Weiterbeschäftigung nicht mehr möglich ist und Dauerstellen nicht existieren, obwohl dies immer wieder von verschiedensten Seiten, zum Beispiel von den Gewerkschaften, gefordert werden. So fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ganz klar „Dauerstellen für Daueraufgaben“[4]. Auch die Hochschulrektorenkonferenz stellt fest, dass „die Zahl der Dauerstellen und Professuren […] im Verhältnis zur Zahl der qualifizierten Nachwuchskräfte proportional nicht mitgewachsen [ist]“ [5]. Umgekehrt herrscht Überfüllung an den Berliner Universitäten und gutes Lehrpersonal wird dringend gebraucht. Eine unsinnige Situation, die hier faktisch von Gesetzes wegen aufrechterhalten wird.

Die PIRATEN Berlin stellen trotz der begrüßenswerten Intention einer Novelle des WissZeitVG mit Bedauern fest, dass der derzeitige Entwurf der Gesetzesnovelle einige besonders brisante Punkte stehen lässt. Gerade die Aspekte, die wesentlich zur Prekarisierung des Mittelbaus an allen Deutschen Hochschulen und Universitäten beitragen, werden nicht tangiert. Die im Gesetzesentwurf genannten Vorschläge haben lediglich den Charakter einer Schadensbegrenzung aber nicht einer Verbesserung. Es droht somit, dass die Chance, durch die laufende Novelle eine echte Verbesserung für wissenschaftliche und künstlerisch Beschäftigte zu schaffen, vertan wird.

In der vorgeschlagenen Reform des WissZeitVG fehlen entscheidende Punkte, um für den wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs und damit auch die betreuten Studierenden wirklich eine Besserung an den Hochschulen zu schaffen. Ohne die nachfolgend aufgeführten Punkte wird es weiterhin eine Vielzahl von prekären Beschäftigungen durch Verträge mit kurzen Laufzeiten geben. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Gesetzesentwurf zeigt, dass wir zusammen mit Gewerkschaften und Mittelbauinitiativen uneingeschränkt folgende Änderungen fordern:

1. Wissenschaftliche Beschäftigte, die an den Universitäten Daueraufgaben wahrnehmen, sind möglichst schnell dauerhaft zu beschäftigen. Der vorliegende Entwurf koppelt in §2 Absatz 1 die Befristung ausdrücklich an deren Intention zur Qualifizierung. Dies macht jedoch nur Sinn, wenn die Befristung nur auf Verträge anwendbar ist, bei denen die Qualifizierung tatsächlich im Mittelpunkt steht. Zu diesem Zwecke muss der Gesetzestext Regelungen bezüglich der Arbeitsverträge treffen, so dass diese in Zukunft Qualifizierungsziel und den Umfang der für Qualifizierungszwecke verfügbaren Arbeitszeit enthalten.

2. Bei der überwiegenden Wahrnehmung von Lehraufgaben steht eine Qualifikation nicht im Mittelpunkt. In §1 Absatz 1 sind deshalb Beschäftigte, die überwiegend Lehraufgaben wahrnehmen, aus dem Geltungsbereichdes WissZeitVG auszunehmen.

3. Selbst für Verträge, die offensichtlich der Qualifikation dienen (was aus den genannten Gründen bisher und gemäß des Entwurfs auch in Zukunft nicht gesichert festgestellt werden kann), enthält der Gesetzesentwurf keine Regelung. Stattdessen werden Mindestlaufzeiten genannt, die weit unter den durchschnittlichen Qualifikationszeiträumen liegen. Wir fordern hier logische Konsistenz und demnach Mindestvertragslaufzeiten, die den durchschnittlichen Qualifikationszeiträumen entsprechen. Wir fordern eine Mindestvertragslaufzeit von 5 Jahren.

4. Bedauerlich ist, dass der vorliegende Gesetzestext nicht die Chance aufgreift, eine familienpolitische Komponente aufzunehmen. Leider ist es an vielen Universitäten Praxis, nicht von der Option Gebrauch zu machen, Arbeitsverträge um 2 Jahre je Kind, an dessen Erziehung die zu Beschäftigten beteiligt sind, zu verlängern. So ist es jedoch schon in der gültigen Fassung des WissZeitVG vorgesehen. Die Beschäftigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler muss deshalb um pauschal zwei Jahre je Kind verlängert werden, wenn sie an dessen Erziehung beteiligt sind und an einer wissenschaftlichen Qualifizierung gearbeitet haben oder noch arbeiten. Dies wäre in § 2 an geeigneter Stelle zu ergänzen.

5. Neben der familienpolitischen Komponente werden gezielt auch Maßnahmen zur Förderung und Gleichstellung von Frauen gefordert. Um Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht zu benachteiligen, sollten befristete Arbeitsverträge bei Bestehen einer Schwangerschaft nicht während der Schwangerschaft auslaufen dürfen. Stattdessen wird ein Anspruch auf Verlängerung des Arbeitsvertrags auf mindestens 4 Monate nach dem Ende der Schwangerschaft gefordert, ähnlich den Regelungen zum gesetzlichen Kündigungsschutz für Schwangere (§9 MuSchG). Die Qualifikationszeit von Schwangeren und stillenden Müttern ist z.T. erheblich verkürzt, da sie häufig von Beschäftigungsverboten in Laboren und Werkstätten für die Dauer von Schwangerschaft und Stillzeit betroffen sind. Sie dürfen Vorsorgetermine und Stillpausen während der Arbeitszeit zwar wahrnehmen, die Arbeits- und Qualifikationszeit verkürzen sich dadurch jedoch. Aus diesem Grund sollten Frauen auf Qualifikationsstellen einen Anspruch auf Verlängerung des Arbeitsvertrages um mindestens weitere 6 Monate erhalten, wenn während der Vertragslaufzeit Schwangerschaft besteht. Ein Minimum ist eine Verlängerung um die Dauer etwaiger Beschäftigungsverbote in ihrem gewöhnlichen Arbeitsbereich.

6. Das WissZeitVG muss so geändert werden, dass Mutterschutz auch ohne Inanspruchnahme von Elternzeit vertragsverlängernd wirkt.

7. Es wird die Einführung einer behindertenpolitischen Komponente vorgeschlagen. Nach dem Vorbild der familienpolitischen Komponente sollte im Zuge des Nachteilsausgleichs die Verlängerung von Zeitverträgen bei Behinderung oder chronischer Krankheit über die Höchstbefristungsdauer hinaus ermöglicht werden.

8. Eine wichtige Korrektur ist in §2, Absatz 2 notwendig. Die Arbeitsvertragslaufzeit muss immer und grundsätzlich der Projektlaufzeit entsprechen.

Autor: Franz-Josef Schmitt

Quellen:
[1] http://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/937/to-node.html?cms_topNr=17#top-16
[2] http://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/937/erl/16.pdf?__blob=publicationFile&v=1
[3] https://www.piratenpartei.de/politik/wahl-und-grundsatzprogramme/wahlprogramm-btw13/bildung-und-forschung/#wahlprogramm-bildung-hochschule-wisszeitvg
[4] http://www.gew.de/wissenschaft/presse/detailseite/neuigkeiten/gew-dauerstellen-fuer-daueraufgaben-mindeststandards-fuer-zeitvertraege-1/
[5] http://www.hrk.de/positionen/gesamtliste-beschluesse/position/convention/orientierungsrahmen-zur-foerderung-des-wissenschaftlichen-nachwuchses-nach-der-promotion-und-akademi/
[5] http://www.gew.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=23385&token=4afb04c5382e8e4fc8f8382b31be6ccd0503e172&sdownload=

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