Das viel diskutierte 29-Euro-Ticket für den Berliner Nahverkehr ist seit dem 27.09.erhältlich. Es ist als Nachfolge für das bundesweite 9-Euro-Ticket gedacht und gilt nur im Berliner Tarifbereich AB und ist auch nur als Abo erhältlich. Ein länderübergreifendes Nachfolgeticket mit Brandenburg kam nicht zustande und läßt damit viele Pendler im Stich.

Das Ticket ist auf drei Monate begrenzt, weil die Ampelkoalition im Bund für Januar ein bundesweites Nachfolgeticket in Aussicht gestellt hat.

Falle 9-Euro-Ticket?

Zeitgleich mit dem 9-Euro-Ticket gab es auch den Tankrabatt; dieser kam vor allem, aber nicht nur, Menschen im ländlichen Raum zu Gute, die es aufgrund des jahrelangen Kaputtsparens der Bahn das Ticket nicht nutzen konnten sondern auf das Auto angewiesen sind. Im Sinne einer Mobilitätsgerechtigkeit muss also auch wieder ein weiteres Angebot an diese – aber nicht nur an diese – Menschen gemacht werden.

Während der Verkehrsminister von der FDP sich begeistert über den Erfolg des Tickets äußert, verunglimpft sein Parteichef und Finanzminister das Ticket als „Gratismentalität“ Das Ticket wurde überwiegend von jenen Menschen genutzt, die sich die normalerweise höheren Preise, welche auch nicht unbedingt ein reales Preis-Leistungsverhältnis widerspiegeln, nicht leisten können. Daher war das Ticket nicht nur wichtig für den Klimaschutz sondern auch für soziale Teilhabe.

Aber wieso eigentlich neun Euro? Warum nicht fünf oder zehn? Der Preis wurde rein symbolisch festgelegt und gibt kein Preis–Leistungsverhältnis wieder. Um überfüllte Züge zu vermeiden, hätte es auch sechs Monate gültig sein können, der Tankrabatt selbstverständlich auch. So wären die Züge vielleicht nicht ganz so voll gewesen und eine genauere Übersicht über Nutzerverhalten vorhanden.

Angesichts explodierender Energiekosten war der Preis sicherlich ein Hauptfaktor für den Erfolg. Eine Nachfolgeregelung sollte also sowohl preisgünstig als auch einfach sein. Im Gespräch sind Variationen von 49 oder 69 Euro. Diese Preise werden sich für viele nicht lohnen und für andere nicht bezahlbar sein. Die Beträge sind mehr als das Fünffache des Vorgängers und knapp doppelt so viel wie in Berlin das Sozialticket (€ 27,50) kostet.

Am Anfang einer Entscheidung sollte stehen, was wichtiger ist: ein günstiger Preis oder die bundesweite Gültigkeit. Angesichts explodierender Kosten ist der Preis vermutlich entscheidend. Hier ist das 29-Euro-Ticket sicherlich die bessere Nachfolgeregelung und sie weist auch schon den weiteren Weg: Es reicht eine regionale Gültigkeit, das heißt das geltende VBB Ticket wird durch das 29-Euro-Ticket ersetzt, allerdings zu anderen Konditionen.

Es ist nicht nur als Abo erhältlich, denn für viele Menschen ist es wichtig, selber zu entscheiden, wann sie eine Geldausgabe tätigen und nicht grundsätzlich zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Betrag abbuchen zu lassen. Das Sonderkündigungsrecht des Abonnements klingt ein bisschen nach Abo-Falle und wird auch aus diesem Grund sicherlich nicht so oft in Anspruch genommen werden wie das Neun-Euro-Ticket, welches je nach Betrag im Geldbeutel gekauft werden konnte.

Neben den Auswirkungen auf das Sozialticket sollte auch das Semesterticket berücksichtigt werden, welches bereits heute im ABC-Bereich gilt und 198 Euro für sechs Monate kostet. Letzlich ist zu überlegen, wie die unterschiedliche finanzielle Förderung gebündelt werden kann, um diese Nahverkehrstickets zusammenzulegen und so einen größeren finanziellen Spielraum zu haben.

Ein Blick nach Wien zeigt: Um das dort gültige 365-Euro-Ticket – ÖPNV für 1 Euro am Tag – im Preis zu halten, werden dort alle anderen Tickets teurer; das sollte nicht sein. Ansonsten geht es wie im Lebensmitteleinzelhandel: um den Preis zu halten, verringert sich der Inhalt. Weniger ist mehr. Anstatt eine konkrete Zahl zu nennen, sollte das Ticket einen neutralen Namen haben getreu dem Motto: Alles für Eines und Eines für Alle.

Die PIRATEN Berlin halten weiterhin am Ziel von #fahrscheinfrei fest: Einsteigen und losfahren. Wir wollen einen fahrscheinlosen ÖPNV, um das soziale Recht auf Mobilität vom Einkommen des Einzelnen abzukoppeln. Ebenso wie die Infrastruktur für den Autoverkehr soll auch der fahrscheinlose Nahverkehr weitgehend aus Steuermitteln finanziert werden. Auch jetzt schon decken Fahrscheinverkäufe weniger als 50% der Kosten. Eine gemeinschaftliche Umlage der Kosten nicht allein auf die Fahrgäste, sondern auf all diejenigen, die vom Nahverkehr profitieren, kann die ÖPNV-Finanzierung sichern und zugleich gerechter gestalten. Neben Berliner_innen und Pendler_innen aus dem Umland müssen auch Arbeitgeber_innen, Einzelhändler_innen und Immobilieneigentümer_innen zur Finanzierung des Nahverkehrs beitragen.

Nicht zuletzt wäre dies auch aus Umweltschutzgründen und zur Ressourcenschonung ein wichtiger, wenn nicht sogar der einzige Weg.

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