Vom 7. Dezember 2022

Bei den Zwischenwahlen zum US-Kongress am 8.November ist der befürchtete Denkzettel für die Demokraten von Präsident Biden ausgeblieben. Sie haben ihr Mehrheit im Senat verteidigt und weit geringere Verluste im Repräsentantenhaus erlitten als befürchtet.

Vor allem junge Wähler in der Altersgruppe bis 29 Jahre beteiligten sich an der Wahl und stimmten für die Demokraten. Hauptgrund hierfür ist wahrscheinlich das von der Regierung Biden verabschiedete Gesetz zum Erlass der hohen Studentendarlehen (loan forgeviness program) die nicht zurückgezahlt werden müssen.
Mitentscheidend war vermutlich aber auch, dass speziell diese Altersgruppe von besonders vielen Sicherheitsmaßnahmen und -übungen zum Schutz bei Amokläufen mit Schusswaffen an Schulen betroffen war. Ein Protestschild nach dem Anschlag in Parkland/Florida hatte die Botschaft: Today Ill march, tomorrow Ill vote. Dies wurde im großen Maße umgesetzt.
Die Stichwahl am 6. Dezember um den Senatssitz in Georgia ist allerdings trotz der erlangten Mehrheit wichtig. Sollte auch dort der demokratische Kandidat gewinnen, so kann es auch mal einen demokratischen Abweichler im Senat bei Abstimmungen geben, die Mehrheit ist trotzdem gesichert, dank der Stimme der Vize-Präsidentin.

Botschaft an Trump
Die Botschaft vor allem aus den sogenannten swing-states lautete: das Thema Abtreibung ist uns wichtig, aber auch die Demokratie (Präsident Biden hatte die Losung ausgegeben „Democracy is on the ballot“.)
Die von Trump persönlich ausgewählten Kandidaten, die seine Auffassung der gestohlenen Präsidentschaftswahl 2020 unterstützten (denier) haben die Wechselwähler nicht überzeugen können. Dies ist besonders bedeutsam, weil die Innenminister der Bundesstaaten dafür zuständig sind, eine Wahl zu zertifizieren; hier gewannen nur zwei von Trumps sieben ausgewählten Kandidaten die Wahl.

Ganz gleich ob Wahlleugner in den U.S.A., Reichsbürger oder Indentitäre in der Bundesrepublik, diese Gruppen versuchen den Eindruck zu vermitteln, sie vertreten die Mehrheitsmeinung und lassen sich nicht in ihren Überzeugungen von existierenden gesetzlichen Beschränkungen abhalten.

Es ist der Versuch einer Verschiebung weg von der konstitutionellen Demokratie mit ihren Regeln hin zu einer eher instiktiven Gemeinschaft, die durch charismatische, oder aber auch nur laute und demagogische Persönlichkeiten charakterisiert wird, unterstützt durch die Echokammern der unterschiedlichen social-media Plattformen, sowie Fernsehen und Radio.

Es geht letztlich darum, ob das Wahlvolk Populismus und die jeweilige Version der Populisten bevorzugt (Stichwort „alternative Fakten“ , oder eine repräsentative Demokratie, die durch Gesetze und regulatorische Wachsamkeit ihre Grenzen hat.

Ende des Trumpismus?
Hier lohnt ein genauerer Blick, worum es eigentlich geht: Legitimität und Akzeptanz Beides steht Trumps eher autokratischem Verständnis entgegen.
Politische Systeme sind aber auf eine weitreichende öffentliche Akzeptanz der Bevölkerung angewiesen. Ist dies vorübergehend oder eingeschränkt nicht der Fall, so laufen sie Gefahr, das notwendige Maß an innenpolitischer Stabilität zu verlieren und dies würde konsequenterweise den Verlust der Legitimität nach sich ziehen.

Unter dem Begriff der Legitimität subsumiert sich die Auffassung von der Rechtmäßigkeit politischer Systeme, die primär auf einem Ensemble allgemein anerkannter Wertüberzeugungen und Grundnormen beruht; hierzu zählen auch konstitutive Verfahren wie Wahlen. Legitimität bedeutet Akzeptanz und vor allem Anerkennung politischer Herrschaft.

Voraussetzung von Legitimität ist demnach die Fähigkeit politischer Systeme einen Minimalkonsens über die zentralen Werte und Normen in der Gesellschaft – den Akteuren des politischen Systems und der Bevölkerung herauszubilden.

Trump hat sich durch den eher mäßigen Erfolg nicht abhalten lassen und eine erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2024 verkündet. Auch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, nun doch seine Steuererklärung vorlegen zu müssen, wird ihn nicht bremsen, den ab Januar ist der zuständige Parlamentsausschuss in republikanischer Hand, so dass es allenfalls wichtig ist, ob dort ein Trump-Anhänger den Vorsitz übernimmt oder ein eher kritisch eingestellter Republikaner.

Fazit und Ausblick
Die aufgestellten republikanischen Kandidaten haben Wechselwähler vergrault, die Spaltung des Landes wurde aber nicht verkleinert. Umfragen legen nahe, dass viele Wechselwähler weiterhin unzufrieden sind mit der gegenwärtigen Politik; die Wahlergebnisse waren in einigen Bezirken sehr knapp. Viele Wähler haben das für sie „kleinere Übel gewählt“, aber nicht unbedingt aus Überzeugung demokratische Kandidaten.

Es bleibt abzuwarten, ob andere republikanische Kandidaten die die Legitimität staatlichen Handelns ähnlich in Frage stellen trotzdem eine höhere Akzeptanz finden. Der häufig genannte, und wiedergewählte Gouverneur von Florida, Ron DeSantis bietet da wenig Hoffnung; er hatte z.B. die staatlichen Regeln und Gesetzte im Rahmen der Covid Pandemie in Zweifel gezogen und für Florida eigene Regeln aufgestellt, die zumindest zeitweise für die höchste Todesrate in den USA sorgten. Ob die zahlreichen jungen Wähler auch bei der nächsten Präsidentschaftswahl zur Rettung der Demokraten auftauchen, bleibt zunächst einmal eine Hoffnung.

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