Gastbeitrag von Michael Eisner, Rechtsanwalt und Lichtenberger Pirat

Beschlossen, hochumstritten und schon jetzt absehbar mit verheerenden Folgen für die Mieter in Berlin – der Mietendeckel wird so oder so nicht halten, was die regierende Rot-Rot-Grün-Koalition den Berlinern verspricht.

Derzeitiger Stand ist ein Gesetzentwurf, der sich hier https://stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnraum/mietendeckel/ im unteren Kästchen als pdf zum Download finden lässt.

Geregelt wird u. a. mit einigen Ausnahmen ein Einfrieren und auch ein Absenken der Mieten bei Bestandsmietwohnimmobilien bis Baujahr 2014, sofern im Entwurf festgehaltene Obergrenzen, die sich am Mietspiegel 2013 orientieren, überschritten werden. Modernisierungsmieterhöhungen sind gedeckelt.
Für Vermieter gibt es eine Härtefallregelung, in der auf Antrag bei der Investitionsbank Berlin eine Mieterhöhung unter bestimmten Voraussetzungen genehmigt werden kann. Als Hauptfall werden drohende Verluste für Vermieter genannt.
Wirksam werden soll das Gesetz rückwirkend zum 18.06.2019, verbunden mit dem Verbot, eine Miete zu fordern, die die zu dem Zeitpunkt wirksam vereinbarte Miete überschreitet.

Nun gibt es zwei Szenarien, die nach angedrohten Normenkontrollverfahren, Klagen oder auch nur schlichten Vorlagen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe für den Mietendeckel denkbar sind: Der Mietendeckel ist wirksam oder nichtig. In beiden Fällen gibt es jedoch kein Happyend für die Mieter.

Nach Stand der Diskussion in juristischen Kreisen ist es höchstwahrscheinlich, dass der Mietendeckel für verfassungswidrig und damit nichtig erachtet wird. Die weitaus gewichtigeren juristischen Stimmen, u. a. des früheren Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier, des Staats- und Verwaltungsrechtlers Ulrich Battis (HU) gehen von einer Verfassungswidrigkeit des Gesetzesentwurfs aus.
So ergeben sich Probleme mit dem Rückwirkungsverbot, der Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin (Bundesrecht regelt viele Bereiche abschließend) und dem Schutz des Eigentums. Nachzulesen hier https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/09/mietendeckel-berlin-gutachten-verfassungswidrig-hans-juergen-pap.html, hier https://www.tagesspiegel.de/berlin/neues-gutachten-zum-berliner-mietendeckel-mietenstopp-ist-verfassungsgemaess-mietabsenkung-nicht/25116078.html und hier https://www.tagesspiegel.de/berlin/neues-gutachten-zum-mietendeckel-zweifel-an-rueckwirkendem-mietenstopp/25186616.html.

Aus einer Nichtigkeit des Mietendeckels (rückwirkende Unwirksamkeit bis 18.06.2019) würden für die Mieter etliche negative Folgen erwachsen.
Hätte der Vermieter etwa nach Inkrafttreten des Gesetzes um Zustimmung zur Mieterhöhung gebeten und der Mieter verweigert diese mit Hinweis auf den Mietendeckel, der Vermieter klagt und gewinnt nach dem Entscheid des BVerfG Jahre nach der Mieterhöhungserklärung, so hätte der Mieter auf einen Schlag einen höheren Mietrückstand. Dieser könnte im Extremfall, wenn der Mieter nicht leistungsfähig ist, zur Kündigung des Mietvertrages führen.
Gleiches gilt für den Fall einer Mietabsenkung, die sich dann als unwirksam herausstellt. Wieder droht die Gefahr von kündigungsrelevantem Mietzrückstand und folgender Kündigung. Weitere für Mieter negative Szenarien kann jeder Mietrechtler schnell finden.

Scheitert der Mietendeckel nun zur Überraschung vieler nicht in Karlsruhe, könnte man meinen, nun sei alles gut für die Mieter.
Der Mietendeckel entlastet ja auf den ersten Blick Bestandsmieter und auch Neumieter, da sowohl Bestandsmieten als auch Angebotsmieten gedeckelt sind. Schaut man jedoch länger auf den Mietmarkt und denkt etwas weiter wie die Protagonisten, die Vermieter, auf den Mietdeckel reagieren werden, so ergeben sich weder für Neu- noch für Bestandsmieter schöne Aussichten.

Wohnungssuchende potentielle Neumieter werden wegen des Mietendeckels eher weniger freie Wohnungen finden als ohne Mietendeckel.
Das resultiert aus der Vermutung, dass ein Vermieter eine frei werdende Wohnung eher in eine Eigentumswohnung umwandeln wird, als sie staatlich reglementiert weiter zu vermieten.
Zudem werden Privatinvestoren keine neuen Mietwohnungen erstellen, da eine fortwährende Verlängerung des Mietendeckels und also auch ständig eine Erweiterung der Geltung auf Wohnraum neueren Fertigstellungsdatums als 2014 droht.
Die kommunalen Wohnungsbauunternehmen arbeiten an der Kapazitätsgrenze und decken nur 20% des derzeitigen Wohnungsbaus ab, weshalb sie Privatinvestoren absehbar nicht ersetzen können.
Wegen der attraktiven gedeckelten Mieten wird der Zuzug eher zunehmen als abnehmen, die gemieteten Wohnungen fallen eher größer aus, da der Quadratmeter ja wenig kostet. Alles insgesamt wird zu steigenden Interessentenzahlen bei abnehmender Verfügbarkeit an Wohnraum führen.
Neumieter ohne Beziehungen oder das nötige Kleingeld für Untermiete werden absehbar keine Wohnung mehr finden.

Bleibt der Bestandsmieter. Zuerst kann er sich freuen. Er hat eine Mietwohnung, die ihm nicht die Haare vom Kopf frisst, Modernisierungsmieterhöhungen gibt es allenfalls moderat, aber was wird absehbar passieren:
Selbst wohlwollende Vermieter werden Instandhaltungen nur auf dem Niveau des Budgets von 2013 leisten, entsprechend dem Mietspiegel von 2013 der die Miethöhe vorgibt. Bei Löhnen für Handwerker, die stetig steigen, kommt es wie es kommt, die vormals schöne gepflegte Bestandswohnung wird zunehmend verwahrlosen. Modernisierungen werden auf niedrigst möglichem Niveau durchgeführt, es werden nach 30 Jahren Laufzeit nicht etwa neue Heizanlagen mit möglichst niedrigen Brennstoffverbrauch verbaut, sondern solche, die sich mit der Modernisierungszulage von € 1,00 finanzieren lassen. Beim alten Holzfenster hilft ja auch noch immer Kitt.

Der Miethai, der tatsächlich weniger verbreitet ist als es R2G glauben machen will, der aber doch wohl am Markt agiert, wird kreative Lösungen finden, den Mietendeckel zu umgehen (Nebenverträge, Sonderleistungen etc.) oder aber knallhart jegliche Instandhaltung einstellen und alles juristisch ausfechten.

Vom „lock in“ Effekt sei noch nicht einmal die Rede, etwa wenn bedingt durch einen Arbeitswechsel auch ein Wohnungswechsel schön wäre, aber wegen der wenigen und weniger werdenden verfügbaren Wohnungen ein Traum bleibt. Eine Familiengründung wird undenkbar, möchte man nicht zu viert in einer 2-Raumwohnung leben.

Nun möchte man fragen, geht es nicht auch anders mit dem Mietendeckel, gibt es keine positiven Beispiele und die klare Antwort ist Nein.

Der Mietendeckel allein kann für Mieter nicht zu bezahlbaren schönen Wohnungen in einem entspannten Mietmarkt führen. Städte, die es versucht haben, Berlin in früheren Jahren, Stockholm, Wien und New York hatten und haben entweder ein drastisches Wohnungsunterangebot mit Unterunteruntervermietungen oder verwahrlosten Wohnraum, in den niemand leben möchte.

Eine Lösung wäre nur dann in Sicht, wenn tatsächlich begleitend mehr gebaut als nachgefragt werden würde. Jedoch hat R2G dafür keine tatsächlichen Plan, baut sogar dramatisch negativ am Bedarf vorbei, fehlen doch schon jetzt mehr als 100.000 Wohnungen.
Und die Opposition von CDU und FDP setzt allein auf privatwirtschaftlichen Bau, der schnell keine bezahlbaren Mietwohnungen schafft.

Der Mietendeckel bräuchte als flankierende Maßnahmen mehr sozialen Wohnungsbau, mehr Bauland für Eigennutzer (subventionierte Abgabe nur gegen Weiterveräußerungsverbot) und auch mehr Bauland für Privatinvestoren, eine Anhebung der Geschossflächenzahlen; alle Instrumente, die schnell zu mehr Wohnraum insgesamt führen, was jedoch mit der derzeitigen Regierung und auch den in Berlin absehbaren Regierungen kaum denkbar ist.

Diese flankierenden Maßnahmen könnten jedoch auch allein ohne Mietendeckel bestehen, weshalb dieser nur negativ und überflüssig ist.

Fazit: Mit dem Mietendeckel, der gegen vielstimmige Widerrede schnell mit der heißen, eher ideologischen Nadel als der juristisch fundierten gestrickt wurde, ergibt sich ein Zustand der Rechtsunsicherheit für Mieter und Vermieter. Die absehbaren Folgen sind, egal ob der Mietendeckel Bestand hat oder nicht, ohne massive und kreative Anstrengungen im Wohnungsbau nur negativ, für Mieter, Vermieter und Berlin.

Besser wäre es für die Mieter, man bleibt beim rechtssicheren System aus Mietspiegel und Mietpreisbremse und fängt endlich an, Sozialwohnungsbau, Wohnungsbau für Eigennutzer und privaten Wohnungsbau – in der Reihenfolge – bei Ausweitung des Baulandangebotes und der Bauhöhen anzukurbeln.

Was denkst du?