Die Piratenpartei Berlin sieht in den Rücktrittsforderungen an die Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Prof. Geraldine Rauch, eine politisierte Diskussion, die einer Aufklärungspolitik gegen Antisemitismus nur bedingt förderlich ist.

Aufgrund von Posts auf der Plattform X, die Kritik am Militäreinsatz Israels in Gaza äußern und Israel dabei die Schuld geben, steht Prof. Geraldine Rauch, Präsidentin der TU Berlin, in der Kritik. Denn sie hat diese Tweets „geliked“. Dies war ein Fehler, den Frau Prof. Rauch eingeräumt hat und sich dafür entschuldigt hat. Dennoch werden Rücktrittsforderungen laut. Diese Entwicklung wirft wichtige Fragen zur Meinungsfreiheit und zur Bekämpfung von Antisemitismus auf, die wir als Piraten ernst nehmen und hiermit adressieren möchten.

„Zunächst ist festzuhalten, dass das Massaker, das im Oktober 2023 von der Hamas verübt wurde, ein abscheulicher Akt des Terrors war. Die Hamas ist eine Organisation, die von der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern als terroristische Gruppe eingestuft wird. Diese Sicht teile ich ebenfalls. Jede Form der Unterstützung für solche Gruppen ist unmissverständlich abzulehnen.“, leitet Dr. Franz-Josef Schmitt, Vorsitzender der Piraten Berlin und ehemaliger Vorsitzender des erweiterten akademischen Senats der TU Berlin, seine Stellungnahme ein und fährt fort:

„Gleichzeitig betonen wir, dass eine differenzierte Betrachtung von politischen Äußerungen essentiell ist. Das Liken von Tweets, die sich gegen Krieg und Gewalt aussprechen, sollte nicht automatisch als Unterstützung für terroristische Gruppen oder als Akt des Antisemitismus gewertet werden. Ob eine Sympathie zu den Inhabern der Accounts besteht, muss in einer separaten Debatte geklärt werden. Es wäre vorschnell, bei jedem Like zu unterstellen, dass die Urheber und Hintergründe zu einem betriebenen Account im Detail offen liegen. 

Dies gilt um so mehr, da wir alle wissen, wie Netzwerke wie Plattform X politisiert und von rechten Gruppierungen instrumentalisiert werden. Dort sind zahlreiche Bots unterwegs, die Inhalte in die betroffenen Timelines spülen, verbreiten, liken oder neue Inhalte produzieren. Menschen, die auf diesen Plattformen handeln und dabei gegebenenfalls auch nicht alle Details ihres Handelns immer hinterfragen, automatisch Antisemitismus zu unterstellen, kann zu einer Verzerrung der Debatte führen und von der notwendigen Auseinandersetzung mit echtem Antisemitismus ablenken.“

Es ist wichtig, dass unsere Gesellschaft ein klares Verständnis dafür entwickelt, was Antisemitismus wirklich bedeutet und wie er sich manifestiert. Antisemitismus ist eine ernste Bedrohung, die bekämpft werden muss – mit einer wesentlich stärkeren Auseinandersetzung als über das Liken von Posts auf Plattform X. Die Reduzierung dieses komplexen und schädlichen Phänomens auf die politische Debatte um einzelne Likes verfehlt das Ziel, eine aufgeklärte und transparente Politik zu fördern.

Die Piratenpartei setzt sich für die Freiheit der Meinungsäußerung ein und unterstützt gleichzeitig entschiedene Maßnahmen gegen Antisemitismus. Wir fordern eine Gesellschaft, in der kritische Diskussionen möglich sind, ohne dass Personen vorschnell stigmatisiert und isoliert werden. Gleichzeitig müssen wir wachsam gegenüber jeglichen Formen von Hass und Diskriminierung bleiben, die unsere demokratischen Werte untergraben.

Frau Rauch hat sich durch ihre Entschuldigung der Kritik gestellt, dass sie antisemitische Narrative durch ihr Verhalten auf Twitter weiterverbreitet hat, wie u.a. vom Studierendenparlament der TU Berlin festgestellt wurde. Im Raum steht weiterhin eine Forderung jüdischer Verbände, über eine Neubesetzung des Antisemitismusbeauftragten nachzudenken. Für diese Wahl war Rauch von jüdischen Verbänden ebenfalls angegangen worden. Ein Diskurs um diese Frage sollte jedoch einer Hochschule würdig geführt werden und nicht vorschnell mit begleitenden Rücktrittsforderungen eskaliert werden.

Franz-Josef Schmitt dazu: „es würde mich nicht wundern, wenn der Druck auf Frau Rauch und die Rücktrittsförderungen den Antisemitismus in Berlin noch bestärken. Denn gerade die falschen Prioritäten in der Politik von CDU und SPD, der mediale Rummel (der natürlich durch derartiges Verhalten getriggert wird) und die unverhältnismäßig überzogenen Reaktionen auf das Verhalten von Frau Rauch sind es doch, was die Menschen in die Hände der Parteien rechtsaußen treibt“.

Wir rufen dazu auf, in diesen schwierigen Zeiten zusammenzustehen und gerade in den sozialen Netzwerken nicht derart zu eskalieren, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung durch eine latente Angst beschnitten wird und gleichzeitig auch ehrlich für den entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus einzustehen. Nur so können wir eine gerechte und friedliche Gesellschaft sicherstellen.

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