Gastbeitrag von Dr. Angelika Brinkmann

In einem vorherigen Beitrag wurden Überlegungen zu möglichen Konfliktlösungen im Nahen Osten vorgestellt. Auch wenn die militärischen Kampfhandlungen bzw. der Kampf Israels gegen die Hamas weitergehen, soll im nachfolgenden Artikel ein weiterer Denkanstoß für eine Politik nach dem Ende der Kämpfe erfolgen; es geht um einen der Hauptstreitpunkte für eine friedliche Lösung: die Lage von Ost-Jerusalem.

Wie kann eine Regelung für Jerusalem aussehen? Eine mögliche Vorlage bietet das Berliner Projekt „House of One“. Das Vorhaben ist als interreligiöses Dialog- und Bauprojekt gedacht. Es soll unter einem Dach eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee beherbergen. Dieses Haus steht noch nicht, aber die Idee besagt, dass Juden, Christen und Muslime unter einem Dach feiern.

Weitergedacht und übertragen auf Jerusalem kann dies bedeuten, dass diese religiösen Gruppen nicht nur unter einem Dach feiern, sondern in einer Stadt wirken können. Sie müssen es aber nicht, denn im Gegensatz zum House of One, bildet hier das Stadtgebiet die Gemeinsamkeit. Die Stadt als solches ist neutrales Gebiet, ähnlich wie der Vatikanstaat, der ein Teil der italienischen Hauptstadt Rom ist, eine Enklave, aber der Hoheit des Papstes untersteht. Der Papst wird von den Kardinälen gewählt.

In Jerusalem benennen bzw. entsenden die jeweiligen religiösen Gemeinschaften einen obersten Repräsentanten. Diese religiösen Repräsentanten sind für ihre jeweiligen Gebiete zuständig, das heißt wenn es z.B. zu Streitigkeiten an der Klagemauer kommt, werden die Beteiligten vom zuständigen Sicherheitsdienst, welchen die religiösen Gemeinschaften jeweils selbst stellen, an die zivilen Behörden der Stadt übergeben. Bei der Verwaltung kann die UN Unterstützung leisten, alternativ benennen die religiösen Vertreter Verwaltungsmitarbeiter, die aus den jeweiligen Staaten entsandt werden. Alle Bürger mit Hauptwohnsitz in Jerusalem wählen einen Stadtrat einschließlich Bürgermeister, welcher für die nicht-religiösen Angelegenheiten wie z.B. Energieversorgung, Infrastruktur zuständig ist.

Eine solche Stadt der drei Religionen/City of One ist kein Völkerrechtssubjekt, kein Mitglied der Vereinten Nationen. Sie hat auch keine Armee, nur eine Polizei, die auf ihrem Gebiet begangene Straftaten verfolgt. Eine gültige Währung wird auch nicht benötigt, palästinensische, israelische und andere internationale Währungen werden akzeptiert.

Beim Berliner Projekt gibt es gelegentlich interne Differenzen; trotzdem halten die einzelnen Träger an dem gemeinsamen Ziel der drei Religionen unter einem Dach fest. Ebenso wie das Gebiet Palästina von vielen Gruppen bevölkert wurde, sind dort auch viele Glaubensgemeinschaften zu Hause. Piraten vertreten die Meinung, Religion ist Privatsache. Wie aber auch bekannt, kann das Private politisch sein. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Verwaltungsbehörden und religiösen Repräsentanten ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der „Jerusalem City of One“. Jerusalem kann als Ort der Begegnung dienen.

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