Gastbeitrag von Georg von Boroviczeny, Pirat und ehem. Bezirksverordneter aus Steglitz-Zehlendorf

So einfach ist diese Frage nicht zu beantworten; sicher nützt der Mietendeckel für die nächsten 5 Jahre in der Regel 1,5 Millionen Mieterinnen und Mietern. Aber auch die öffentliche Hand profitiert davon. Denn für eine Vielzahl von Mieterinnen und Mietern wird die Miete aus öffentlichen Mitteln teilweise oder gänzlich bezahlt. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Mietendeckel, so wie er jetzt beschlossen ist, auch einer rechtlichen Prüfung standhält. Bis dieses langwierige Verfahren abgeschlossen ist, leben die Mieterinnen und Mieter in der Ungewissheit einer eventuell drohenden, recht großen möglichen Nachzahlung.
Für die Vermieter heißt der Mietendeckel, dass ihre Gewinnerwartungen für die nächsten 5 Jahre stagnieren. Denn, das darf nicht vergessen werden, auch in den heutigen Mieten ist eine Rendite bereits enthalten. Und nur dort, wo diese Miete deutlich festgelegte Obergrenzen sprengt, kann sie, allerdings auch nur auf Antrag des Mieters, abgesenkt werden, zum Nachteil des Vermieters.
Gegen den Mietendeckel wird häufig eingewandt, dass dadurch die Zahl der Wohnungen nicht zunimmt; das ist richtig, wurde jedoch auch von niemandem so behauptet. Neubau von Mietwohnungen, und das in einem größerem Umfang als bis jetzt, ist dringend nötig. Genauso ist dieses Argument, das würde Wohnungsneubau verhindern, bezogen auf die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“  falsch; auch hier geht es darum, Wohnraum für Menschen mit geringerem Einkommen sicher zu erhalten. 
Deutschland, und erst recht Berlin, ist überwiegend mieterbestimmt. Etwa 72,4 % der Ein-Personen-Haushalte in Deutschland leben zur Miete. Mit rund 57 % gilt dies ebenso für die Mehrheit der Menschen. 30 % des Nettoeinkommens gelten als Höchstgrenze für eine angemessene Miete; gerade aber diejenigen mit geringerem Einkommen müssen oft einen viel größeren Anteil ihres Einkommens dafür aufwenden. Für sie bedeutet der Mietendeckel eine Beruhigung über 5 Jahre.
 
Ist der Mietendeckel nun gerecht?
Ob dieses Gesetz rechtens ist, wird sich, wohl nach einigen Jahren erst, durch höchstrichterliche Entscheidung zeigen. In erster Linie ist das Gesetz aber eine politische Entscheidung, die Frage stellt sich also eher so: Ist es gerecht, dass ein Teil der Bevölkerung gegenüber einem anderen bevorzugt bzw. der andere Teil benachteiligt wird? Wie oben ausgeführt, ist eine Mehrheit in diesem Land Mieter; für Berlin gilt das erst recht, hier ist gerade die Zahl der Ein-Personenh-Haushalte besonders groß.
Nachteile aus diesem Gesetz haben Vermieter; vielfach betroffen sind davon allerdings Konzerne, die eine Vielzahl Wohnungen zur Miete anbieten. Aber dabei ist auch mit zu berücksichtigen, dass ein gut Teil dieser Investoren ausländische Rentenfonds sind; damit finanzieren die hiesigen Mieter auch die finanziell schwächer gestellten, die Rentner anderswo.

Ein weiteres, nicht zutreffendes Argument gegen den Mietendeckel ist, dass es den Neubau verhindere oder zumindest beeinträchtige. Das stimmt jedoch so nicht. Denn Wohnraum, der nach 2014 errichtet wurde, somit jetzt neu geschaffener erst recht, wird von diesem Gesetz gar nicht erfasst. Auch ist zu berücksichtigen, dass Mietwohnungsbau derzeit überwiegend von öffentlichen Bauträgern geleistet wird, während Private hochpreisige Eigentumswohnungen schaffen.
Auch wird vorgetragen, dass durch dieses Gesetz die Bauwirtschaft Schaden erleide. In der Tat sind Bauvorhaben, Renovierung oder auch Modernisierung, teilweise während der Debatte um den Mietendeckel, zurückgestellt worden. Ob dies dann dauerhaft der Fall ist, muss sich erst erweisen .
Zumindest öffentliche Hand und gemeinnützige Bauträger haben einen gewissen Vorteil daraus: Sie sind jetzt eher in der Lage, zu moderaten Preisen Bauleistungen einzukaufen.

Dass es seitens der Piratenpartei berechtigte Kritik an diesem Gesetz gibt, ist bereits vorgetragen. Aber gute Politik heißt, nicht nur Kritik zu üben, sondern auch eigene alternative Vorschläge zu machen.
Was also wollen die PIRATEN für Stadtentwicklung und Mietwohnungsbau anregen? Hier ein Auszug aus dem Wahlprogramm für das AGH 2016: Recht auf Stadt für ALLE
PIRATEN fordern das Recht auf Stadt für ALLE! Berlin ist bunt, Berlin bleibt bunt, und das ist auch gut so!
Die PIRATEN Berlin setzen sich für die gesellschaftliche Teilhabe aller an der städtischen Vielfalt ein.
PIRATEN werden sich im Abgeordnetenhaus und in den Bezirksverordnetenversammlungen konsequent für folgendes einsetzen:
Die Mietenentwicklung im Bestand so wie bei Neuvermietungen und im sozialen Wohnungsbau soll nach oben strikt durch Maßnahmen begrenzt werden, die die Landeskasse möglichst wenig belasten und Mieter_innen wirksam schützen.

Dazu ist unter anderem ein rechtssicherer Mietspiegel erforderlich; dieser muss der langfristigen Mietentwicklung Rechnung tragen und auch festhalten, dass der dort für die jeweilige Lage und Hausalter zutreffende Wert auch verbindlich ist. Eine Unter- oder Überschreitung dieses Wertes (innerhalb der dort angegebenen Spanne) muss ausdrücklich begründet werden.
Grund und Boden sind nicht beliebig vermehrbar; daher muss der Flächennutzungsplan auch dem Rechnung tragen; ein höheres und auch dichteres Bauen muss im gewissen Maße möglich werden. Ebenso braucht es natürlich freien Grund und Boden. Dieser darf allerdings nicht mehr verkauft, sondern nur noch in der Erbpacht vergeben werden. Eine noch kaum genutzte Möglichkeit ist die Überbauung von Verkehrsflächen wie Autobahnen und Bahntrassen. Das ist insofern unproblematisch, da diese Flächen bereits sowieso der öffentlichen Hand gehören.

Wohnungsbau allein genügt nicht; die notwendige Infrastruktur dazu muss auch geschaffen werden; das sind Kitas, Schulen, Gewerbe-und Büroraum sowie die notwendige Anbindung an den ÖPNV. Auch hier kommen auf die Stadt umfangreiche Arbeiten zu.
All das ist mit Flächenverbrauch verbunden; daher muss Ausgleich geschaffen werden: Dachbegrünung (mit Berücksichtigung auch kleinteiliger Energieerzeugung, Photovoltaik und Wind), grüne Fassaden (sogenannte ‚vertikale Gärten‘). Auch Bauen kann und muss nachhaltig, wie auch günstiger werden. Dafür gibt es weltweit schon gute Beispiele. Wir PIRATEN fordern das ein.

Ergänzung:

Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU (wohl mit dabei die der FDP) will in einem ‚abstrakten Normenkontrollverfahren‘ das Berliner Gesetz zum Mietendeckel dem Bundesverfassungsgericht vorlegen.
Dabei geht es vordergründig um die Rechtsfrage, ob die bestehende Bundesgesetzge-bung Vorrang vor Landesgesetzen hat, die Mietengesetze – ausschließlich – vom Bund bestimmt werden dürfen.
Tatsächlich ist hier aber politische Macht hinterfragt: Schwarz-Gelb gegen Rot-Rot-Grün, Bund gegen Land (der Stadtstaat Hamburg hat ähnliche Probleme hierbei wie Berlin). Auch natürlich Investoren gegen Mieterinteressen.
PIRATEN stehen in dieser Frage eindeutig auf Seiten der Schwächeren.
Wir können nur hoffen, dass die Mehrheit der Wähler dann genau registrieren, wer für ihre Interessen wirklich eintritt und wer nicht.

Was denkst du?