Die Piratenpartei Berlin erklärt sich solidarisch mit den geflüchteten Menschen, die sich seit dem 24. Oktober 2012 bei eisiger Kälte auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor im Hungerstreik befinden. Es ist abzulehnen, dass diese durch staatliche Institutionen immer wieder Störungen auf ihre Menschenwürde und die genehmigte Demonstration ausgesetzt sind.

Wir bitten alle Berliner, die Flüchtlinge durch ihren Besuch des Protestcamps praktisch und moralisch zu unterstützen.

erklärte Anne Helm, Bezirksverordnete der Piratenpartei in Berlin-Neukölln, die selbst über viele Stunden vor Ort war und praktische Hilfe organisierte.

Die Protestierenden sind vor Ort teilweise Angriffen durch die Polizei ausgesetzt, die rechtlich höchst fragwürdige Auflagen des Bezirkes durchsetzen sollen. Ihre Aktion, die im März dieses Jahres in Würzburg begann, wurde erst durch die menschenunwürdige Asylpolitik in Deutschland und Europa notwendig. 18 Menschen trafen nun in Berlin die Entscheidung, ihren Protest auf eine neue Stufe zu heben. Sie selbst sagen:

Sie sehen keine weitere politische Möglichkeit, als in den unbegrenzten Hungerstreik zu treten, um der deutschen Politik vor Augen zu führen, zu welchen Konsequenzen ihre Gesetze führen.

Unter dem Einsatz ihrer Gesundheit fordern sie:

  • die Abschaffung der Residenzpflicht
  • die Abschaffung des bestehenden Abschiebegesetzes
  • den Stopp von Abschiebungen
  • die Abschaffung der Lager und Sammelunterkünfte für Flüchtlinge
  • die Anerkennung aller Asylsuchenden als Politische Flüchtlinge
  • eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge
  • das Abschaffen des Verbots arbeiten zu dürfen
  • ein Leben in Würde in Deutschland

Diese Forderungen unterstützen wir ausdrücklich. Zum Teil sind diese bereits in unserem Grundsatzprogramm verankert. Im Berliner Programm zur Abgeordnetenhauswahl findet sich eine ausführlichere Positionierungen.

Der Gesundheitszustand der ohnehin durch Hunger entkräfteten Menschen verschlechtert sich aufgrund der winterlichen Außentemperaturen zunehmend. Wir fordern den Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD), sowie den Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) auf, die Repressalien gegen die Demonstrierenden sofort einzustellen. Darüber hinaus sollen Materialien wie beispielsweise Zelte, Isoliermatten und Schlafsäcke zugelassen werden, um einen menschenwürdigen, friedlichen Protest zu ermöglichen! Wir appellieren an die Polizeikräfte, ihren Ermessensspielraum zugunsten der grundgesetzlich verankerten Menschenwürde voll auszuschöpfen, um den hungerstreikenden Flüchtlingen wärmende Maßnahmen zu ermöglichen.

Links:
(1) http://refugeetentaction.net/
(2) Parteiprogramm
(3) Berliner Wahlprogramm von 2011

Geschrieben von: Carridwen, Christian Kahle, u.a.

[Nachtrag 31.10. 10:05: Ergänzung des Berliner Programmes]

7 Kommentare

  1. 1
    Christian Hanke

    Bezirksbürgermeister zu Besuch beim Flüchtlingscamp – Dialog mit Flüchtlingen wieder aufnehmen – Forderungen weitertragen

    Der Bezirksbürgermeister von Berlin Mitte, Dr. Christian Hanke, informiert:

    Am Mittwoch, dem 31. Oktober 2012, um 15.00 Uhr wird der Bezirksbürgermeister von Berlin Mitte gemeinsam mit Vertretern der Fraktionen in der BVV Mitte das Flüchtlingscamp am Pariser Platz besuchen, um mit den demonstrierenden Flüchtlingen Wege zu beraten, wie ihre politischen Forderungen in den politischen Willensbildungsprozeß gebracht werden können, und den Versuch zu unternehmen, Kommunikationskanäle wieder zu öffnen.

    Aus Sicht des Bezirksamtes ist es gesichert, dass die Flüchtlinge im Rahmen des Versammlungs- und Demonstrationsrechtes ihre politischen Forderungen auch weiterhin vortragen können.
    Ein Campieren auf dem Pariser Platz ist insbesondere unter Beachtung der Vorschriften und des Gleichbehandlungsgrundsatzes allerdings nicht möglich.
    Da die gesundheitliche Situation der Flüchtlinge als sehr kritisch eingeschätzt wird, hat das Bezirksamt gemeinsam mit dem Senat für die betroffenen Flüchtlinge die Möglichkeit geschaffen, die Nächte im Jugendgästehaus der Stadtmission in der Lehrter Straße auf Kosten der Stadt Berlin zu verbringen.
    Die Möglichkeit der Demonstration wird damit nicht gefährdet.
    Ich appelliere an die Flüchtlinge und an die anderen Akteure, dass dieses Angebot zumindest für die Nächte angenommen wird. Die gesundheitliche Situation der betroffenen Menschen – besonders wenn sie sich im Hungerstreik befinden – muß derzeit im Vordergrund stehen.
    Allerdings haben die Flüchtlinge einen langen Protestmarsch hinter sich, um in Berlin auf ihre Lage aufmerksam zu machen und ihre politischen Forderungen so vorzutragen, daß sie von der bundesdeutschen Öffentlichkeit und besonders von der Bundespolitik wahrgenommen werden. Ihre politischen Forderungen sind:
     Residenzpflicht abschaffen,
     Abschiebungen stoppen,
     Flüchtlingslager schließen,
     in Deutschland bessere Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Würde und Menschlichkeit zu erzielen.
    Daher soll der Besuch des Bezirksbürgermeisters und der Fraktionäre unter anderem dazu dienen, den Gesprächsfaden aufzunehmen, die politischen Forderungen auf die Bundesebene zu transportieren und Möglichkeiten auszuloten, unter welchen Bedingungen der Hungerstreik beendet werden kann.

  2. 2

    Meine persönlichen Gedanken dazu: Die Polizisten sollten nicht nur ihren Ermessensspielraum ausschöpfen, sondern als aufrechte Staatsbürger über ihre Pflicht zur Remonstration (http://de.wikipedia.org/wiki/Remonstration) nachdenken und dieses schändliche Verweigern von Schutz vor Nässe und Kälte als menschenunwürdig gegenüber ihren Vorgesetzten zurückweisen. Ich bin kein Rechtsexperte und kann daher die Rechtslage nicht einschätzen, sehe hierin aber eine menschliche Verpflichtung die niemals mehr durch einen „Befehlsgehorsam“ ignoriert werden darf.

  3. 3

    „Störungen auf ihre Menschenwürde und die genehmigte Demonstration ausgesetzt sind“? Wirklich?

    Ansonsten – volle Unterstützung!!

    • Wenn nachts behelmte Einsatzgruppen durch die Gruppe/durch die Demonstration „durchziehen“ und eskalieren, dann würde ich das auch so bezeichnen. Wenn bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und Niesel/leichte Mini-Schneeflöckchen kleine Stücken Pappe verboten werden, weil damit das „Demonstrieren zu gemütlich wäre“, dann sind das durchaus unwürdige Bedingungen. Wenn plötzlich Rollstühle als Campingutensilien deklariert werden (ruf mal in einem Campingladen an und frag wieviel Varianten die vorrätig haben…) damit Menschen selbst mit ärztlichem Attest(!) dort nicht sitzen dürfen, wenn Menschen Getränke abgenommen werden, wenn Sanizelte eingerissen und damit zerstört werden und gleichzeitig Zelte (nur) für Presse erlaubt werden, wenn…

      Ja, ich glaube das kann man durchaus so bezeichnen wie dort angegeben. Menschenunwürdig. Das einige Dinge dort vor Ort erst nach dem Text hier passiert sind, die Aufzählung dadurch länger und trotzdem noch unvollständig, bestätigt die Aussage tendentiell noch mehr.

  4. 4

    […] genügte bereits ein kurzer Blick auf die zum gleichen Thema veröffentlichte Pressemitteilung der politischen Konkurrenz aus der Piratenpartei. Aus dieser Geht hervor, daß es beispielsweise um […]

  5. 5

    Ich finde das Verhalten der Polizei absolut beschämend und sehe die ganze Sache insgesamt so: http://www.kameradist-wagner.de/kalte/

  6. 6

    Im Grunde ganz einfach: Grundrechte sind immer auf die Menschenwürde zu beziehen. Sie bildet den Rahmen. Die Polizei setzt Verwaltungsentscheidungen auf Kosten der Menschenwürde durch und versuchte stellenweise, dieses Vorgehen mit der Sicherung von Grundrechten zu begründen (paradoxerweise sogar mit der Bereicherung des menschlichen Miteinanders). Glücklicherweise hat das Verwaltungsgericht diesem Treiben ein Ende gesetzt und die Maßnahmen als rechtswidrig eingestuft. Es wurden mehrere Strafanzeigen gegen Beamt_innen gestellt, die Unverhältnismäßigkeit der Mittel (einer Demonstrantin den Arm zu brechen, nachdem sie sich nicht entkleiden wollte) wird durch vorliegende ärztliche Atteste bestätigt. Dass es verhältnismäßig wenig Anzeigen gegen Polizist_innen gab, ist auch darauf zurückzuführen, dass diese ihrer Kennzeichnungspflicht ganz gezielt nicht nachgekommen sind und sich einer Identitifzierung entzogen haben. Deshalb hoffe ich, dass die Kennzeichnungspflicht zukünftig ausnahmslos durchgesetzt wird.

Was denkst du?