Gerade in den letzten Tagen taucht immer wieder die Frage auf, warum es denn jetzt noch eine Partei braucht. Mann könnte doch einfach zu den etablierten (=in Parlamenten vertretenen) gehen, und dort versuchen, sich mit seinen Anliegen durchzusetzen.

Für Themen wie den Netzsperren, und der Vorratsdatenspeicherung würde man vielleicht noch ein offenes Ohr finden, so haben auch die Grünen ihre Position zum Thema Urheberrecht gefunden.

Wie durchlässig ist aber die Organisationsstruktur einer etablierten Partei, wenn es um die Durchsetzung von direkter demokratischer Beteiligung der Basis geht?

Sehen wir uns einmal an, wie ein Wahlprogramm bei den Grünen entsteht:

Steffi Lemke erzählt uns folgendes:

bevor das wahlprogramm als entwurf die partei das erste mal erreicht, stecken schon viele hundert oder gar tausend arbeitsstunden da drin. wir hatten das letzte mal eine vorstandssitzung, die ging die ganze nacht durch, bis dann auch der bundesvorstand sich die köpfe ausreichend heiss diskutiert hatte, bis der programmentwurf fertig war.
dann wird er an die partei, an die öffentlichkeit, an die delegierten verschickt. […]

Danach können dann ein Kreisverband, eine Bundesarbeitsgemeinschaft, 20 einzelne Parteimitglieder und der Bundesvorstand der Grünen Jugend, Änderungsanträge zum Programmentwurf stellen.

Für die Änderungsanträge gibt es dann wiederum eine Beschlussempfehlung der Antragskommission.
Diese wird dann nochmal auf einem Antragstellertreffen verhandelt.

Es gibt also immer wieder Stellen, an denen von oben entworfen, empfohlen, verhandelt wird.

Und genau an diesem Punkt kommen die Piraten mit den Möglichkeiten ins Spiel, die es vor ein paar Jahren noch nicht gab: der direkten, schnellen, unklompizierten Beteiligung am demokratischen Prozess.

Bei uns kann jeder (dazu muss er noch nicht einmal ein Parteimitglied sein!),

*eine Seite im Wiki erstellen,
*einen Beitrag im Forum verfassen.

Jeder Pirat

*kann einen Programmentwurf der Basis empfehlen,
*einen Satzungsänderungsantrag verfassen und einreichen,
*an jeder Vorstandssitzung teilnehmen.

Einer der wichtigsten Unterschiede ist jedoch die Möglichkeit

das eigene Stimmrecht auf dem Bundesparteitag wahrzunehmen.

Ein Pirat ist eben nicht darauf angewiesen, dass sein Delegierter für ihn in seinem Interesse abstimmt.

Niemand konnte vorhersehen, dass die größte Petition, die den Bundestag bis heute erreicht hat, aus ein paar Twitter-Nachrichten hervorging.
Es waren also ein paar vernetzte Bürger, denen 140 Zeichen geholfen haben, ihrer Meinung ein größeres Gewicht zu geben, als sie dies im einzelnen gehabt hätten.
Was aber geschieht mit der Petition, wenn sie im Bundestag auf der Tagesordnung stand?
Werden die gleichen Abgeordneten einer Petition zustimmen, die sich gegen ein von ihnen verabschiedetes Gesetz richtet?

Die Chance der Piraten „auf dem Weg zu bundespolitischer Relevanz“ besteht darin, solchen flexibel entstehenden Debatten eine verbindliche politische Stimme zu geben.

Die direkte Beteiligung der Piraten am Kurs der Piratenpartei ist ein entscheidender Unterschied, zu allen anderen Parteien, die lediglich den „Weg durch die Instanzen“ anbieten. Auf diesem Weg aber, gehen viele gute Ideen verloren.

Das Ziel, der jederzeit verbindlichen demokratischen Beteiligung eines Jeden, lässt sich mit bestehenden Parteien jedoch nicht erreichen.

Darum, eine neue, neue Partei!

5 Kommentare

  1. 1
    Thorsten Sett-Weigel

    Danke. ich hätte es nicht besser beschreiben können. Des Bürgers Wunsch und Wort
    direkt in die Parlamente, ohne leidliche und sehr oft sinnfreie Diskussionen.

    Seit Dienstag Mitglied und sehr stolz darauf !

    Piratenpartei = Direkte Demokratie

  2. 2

    nunja, Konzepte, wie das skaliert, wenn die Piratenpartei 100k Mitglieder oder so hätte, gibt es derzeit afaik aber auch nicht.

  3. 3
  4. 4

    @Stefan:
    Unsere Konzepte skalieren beliebig.
    Die Grundlage der Piraten besteht nicht nur aus einem wiki+forum.

  5. 5

    Wow, Liquid Democracy finde ich ja mal genial! Das Prinzip entspricht meiner Auffassung nach endlich wahrer Demokratie. Denn ich möchte auch nicht, dass eine große Partei alles für mich entscheidet – vor allem, da die meisten Parteien eh nur ohne Sinn und Verstand ihre Anliegen durchbringen möchten – bis dann vier Jahre später wieder alles mit der nächsten Partei abgeändert wird… -.-

    Klasse Sache mit euch Piraten! 🙂 Nur leider habt ihr in Berlin bisher nicht genug Stimmen… werde euch wohl nicht wählen können 🙁

    MfG
    Martin Beckert

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