Die Piratenfraktion war gerade frisch im Abgeordnetenhaus, als am 12. Mai 2012, einen Monat nach Absage des 2. Eröffnungstermins für den BER, ein Tag der Offenen Tür stattfand. Als besonderen Programmpunkt bot die Fraktion den Besucher_innen die Möglichkeit, Anträge für das Berliner Liquid-Feedback-System der Piratenpartei zu formulieren. So kam es, dass dort auch über den dauerhaften Weiterbetrieb des Flughafens Tegel debattiert wurde.

Diese und folgende Initiativen wurden von der Piratenbasis zwar abgelehnt, aber das Thema beschäftigte die Fraktion weiter. Deshalb beschloss die Fraktionsversammlung am 12. März 2013, beim Wissenschaftlichen Dienst des Parlaments (WPD) ein Gutachten in Auftrag zu geben, das am 26. Juni 2013 fertiggestellt und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde [1]. Der Beginn der parlamentarischen Sommerpause war allerdings kein günstiger Termin dafür. Üblicherweise trifft der Senat deshalb auch in dieser Zeit jene Entscheidungen, von denen die Bürger_innen möglichst wenig mitbekommen sollen.

Wie in den letzten Tagen der Presse zu entnehmen war, soll das Gutachten von der Fraktion gar nicht veröffentlicht worden sein. Diese Behauptung kam dadurch zustande, dass die Arbeit der Fraktion selbst in der Öffentlichkeit durch die Presse nicht widergespiegelt wurde. Durch die Auflösung der Fraktion und der Abschaltung der Webseiten hat die Partei im Moment keinen Zugriff mehr auf viele Dokumente.

Journalisten, die beim WPD anriefen, wurde zunächst mitgeteilt, dass das Gutachten nicht öffentlich sei. Die Veröffentlichung von Gutachten ist nicht Aufgabe des WPD, sondern des Aufraggebers. Leider ist es Usus, in Auftrag gegebene WPD-Gutachten zurückzuhalten, wenn sie einer Fraktion nicht passen Ein Beispiel dafür ist das Gutachten zur Zusammenlegung der AGH-Wahl mit der Wahl der Seniorenvertretung, das von der CDU monatelang unter Verschluss gehalten wurde.

Insofern ist es verständlich, dass der WPD Gutachten erst mal nicht herausgibt. Es ist allerdings auch dort bekannt, dass die Gutachten im Auftrag der Piratenfraktion prinzipiell veröffentlicht wurden und deshalb kann das Gutachten inzwischen auch auf Anfrage vom WPD bezogen werden.

Im Inhalt bot das Gutachten der Fraktion keine wesentlich neuen Erkenntnisse, denn dass der Bund das letzte Wort haben wird, war bereits bei seiner Beauftragung bekannt [2]. Es bietet kompakt jedoch alle wichtigen Informationen, welche Optionen der Senat nach der höchstwahrscheinlich erfolgreichen Volksabstimmung über den Weiterbetrieb von Tegel im Herbst dieses Jahres haben wird.

Da die Betriebsgenehmigung für Tegel auf alliiertem Recht aus Besatzungszeit fußt, kann das Land Berlin ihren Widerruf vom 29. Juli 2004 aufheben. Sehr unwahrscheinlich ist, dass dies im Einvernehmen mit Brandenburg und dem Bund erfolgen kann. Wenn der Bund sein Weisungsrecht im Luftverkehr ausübt, wäre die Aufhebung wieder aufgehoben. Anderenfalls könnte das Land Brandenburg den gemeinsamen Landesentwicklungsplan Flughafen-standortentwicklung (LEP FS) kündigen und jahrelange Rechtsstreitigkeiten könnten folgen.

Die Situation nach der erfolgreichen Volksabstimmung ist vergleichbar mit dem #brexit. An die Erteilung einer Betriebsgenehmigung für den #BER wäre vorerst nicht zu denken, der #BERexit die wahrscheinliche Folge.

Für mich ist bereits seit einigen Jahren klar, dass der #BER nie wie geplant in Betrieb gehen wird. Statt weitere Milliarden im Brandenburger Sand zu versenken, ist es bereits lange an der Zeit, Schadensbegrenzung zu betreiben und ernsthaft über Alternativen zum single Airport Konzept nachzudenken, das auf dem sog. „Konsensbeschluss“ vom 26. Mai 1996 beruht. [3]

Im Wahlprogramm zur AGH-Wahl 2016 fordern die Piraten deshalb: [4]

– die Aufteilung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH in eine Gesellschaft zum Betrieb der bestehenden Flughäfen Tegel und Schönefeld sowie eine Projektgesellschaft, deren Aufgabenbereich allein die Fertigstellung des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) umfasst 
– keine weiteren Mittel des Landes Berlin für die Projektgesellschaft zu verwenden 
– unverzüglich ein Raumordnungsverfahren für ein neues Flughafenkonzept durchzuführen

Der wahrscheinliche Beginn des #BERexit im Herbst dieses Jahres könnte uns der Erfüllung dieser Forderungen einen Schritt näher bringen.

Alexander Spies

Quellen:
[1] WPD-Gutachten zu Tegel
[2] Audio-Mitschnitt der Fraktionsversammlung vom 12. März 2013, Beschluss zum WPD-Gutachten ab Minute 45:30 
[3] Konsensbeschluss zum single Airport Konzept vom 26. Mai 1996
[4] Wahlprogramm der Piraten zur AGH-Wahl 2016: „Das single Airport Konzept ist gescheitert“

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